Die Linke und der Islam – ein gestörtes Verhältnis

ws

Erschienen bei Huffington Post am 27.08.2015

Die Fremdenfeindlichkeit hat in den letzten Jahren wieder zugenommen und teilweise bedrohliche Ausmaße in unserer Gesellschaft erreicht. Die Ursachen sind vielfältig. Bedenklich ist vor allem, dass sich der linke Flügel als neuer Akteur etabliert.

Xenophobie oder Fremdenfeindlichkeit baut auf eine negative Konnotation des „Fremden“-Begriffs auf und lehnt das „Andere“ aufgrund ökonomischer, sozialer, kultureller, religiöser oder ethnischer Unterschiede ab. Besonders die Islamophobie, die die ablehnende und feindliche Haltung gegenüber den Personen, die sich dem Islam zugehörig fühlen, definiert, macht den größten Teil der fremdenfeindlichen Bewegungen in Europa und speziell in Deutschland aus.

‎Gerade weil Deutschland im Gegensatz zu Spanien, Frankreich oder England, keine Terroranschläge erleben musste (Gott bewahre) und dennoch zu den Ländern in Europa gehört, mit der höchsten Ablehnung gegenüber Muslimen, verdient es eine genauere Untersuchung der Ursachen. Viele dieser Ursachen, wie beispielsweise soziale Bedingungen oder der Einfluss der Medien, wurden bereits in zahlreichen Beiträgen und wissenschaftlichen Artikeln diskutiert oder erörtert.

Politische Linke: mitverantwortlich für Islamophobie

Daher möchte ich die Aufmerksamkeit auf eine seit Jahren immer auffälliger werdende jedoch wenig diskutierte Akteurin, die politische Linke, richten. Auch wenn diese Verbindung im ersten Moment paradox erscheint, ist sie dennoch real und ein signifikanter Faktor für die steigende Islamophobie in Deutschland.

Und weil islamfeindliche und somit eigentlich rechtsextreme Gedanken, die aus dem linken Lager kommen, nicht als solche wahrgenommen werden, liegt vor allem hier die Gefahr, dass sich eine schleichende salonfähige Islamophobie, vergleichbar mit dem salonfähigen Antisemitismus des 19. Jahrhunderts, etabliert.

Die „Freiheit“ des Menschen ist ein wesentliches politisches Schlagwort, welches sich jede Partei auf die Brust schreibt. ‎Was jedoch darunter im Einzelnen verstanden wird, bleibt dem jeweiligen Betrachter überlassen.

Auch wenn die Linie zwischen den politischen Parteien heute sehr verschwommen ist, kann man einer konservativen Partei unterstellen, dass sie bei der Betrachtung der Freiheit des Menschen mindestens Verständnis oder im besten Falle Zustimmung für die religiöse Komponente hat und die damit einhergehenden Normengerüste und Verpflichtungen, die die Menschen annehmen.

Im Bezug auf die Interaktion mit den Muslimen in Deutschland heißt das konkret, dass unterschiedlichem Verhalten, welches religiös begründet ist, Akzeptanz und Respekt entgegengebracht wird.‎ Die Tatsache, dass auch das konservative Lager in Deutschland, zu großen Teilen das unterstellte Verhalten nicht aufzeigt, ist sicherlich ein Indiz dafür, dass auch hier das Verständnis für Religion allgemein weiter abnimmt und somit auch die Empathie des Einzelnen.

Das Lager, was heute als „links“ bezeichnet wird (an dieser Stelle sei angemerkt, dass die scharfe Trennung zwischen links und rechts, wie sie einst während der Französischen Revolution oder auch während des Kommunismus möglich war, heute in fast keinem Land dieser Welt mehr gelebt wird), steht vor allem für das Egalisieren von Ungleichheiten und den Kampf gegen Unterdrückung.

Dabei bedient es sich weniger einer religiös-konservativen Motivation sondern vielmehr einer sozialistisch/anti-kapitalistischen Grundhaltung. Die Konsequenz ist, dass die politische Linke, in Deutschland vor allem durch die Grünen, die Linke und in Teilen durch die SPD repräsentiert, teilweise ihre Stimme gegen autoritäre oder hegemoniale Mächte erhebt und trotz Mainstream versucht, eine klare ablehnende Haltung gegen Unterdrückung und Ungleichheit anzunehmen.

Was auf nationaler Ebene in Ansätzen funktioniert, wird eine Seltenheit, wenn es um die Menschen selbst geht, die vor allem den Islam für sich als Religion angenommen haben. Zunächst stößt hier die Begriffsdefinition der „Freiheit“ auf religiöse Grenzen, welche ebenfalls sehr schnell unter dem Überbegriff „Unterdrückung“ eingeordnet wird.

Gläubige Muslime werden als Unterdrücker wahrgenommen

Dabei wird dem Menschen nicht abgenommen, sich aus freier Wahl einem religiösen Rahmenwerk unterzuordnen. Vielmehr fallen Schlagworte wie „Zwang“ oder „Patriarchalismus“, so dass gläubige Muslime als Unterdrücker und zurückgeblieben wahrgenommen werden. Dass fast kein einziger gläubiger Muslim heute im linken Lager aktiv ist, ist vermutlich eine Konsequenz dieser Denkweise.

Ein weiteres Beispiel ist das Verhalten der politischen Linken bei den vergangenen Wahlen in der Türkei. Während die Türken in Deutschland aufgerufen werden, ihre Wurzeln in Deutschland zu schlagen und eine in Deutschland verortete Identität zu entwickeln, bemühte man sich gleichzeitig für die Wahl einer linksextremen Partei in der Türkei, die als politischer Arm der Terrororganisation PKK gesehen wird.

Die Art und Weise, wie der Aufruf umgesetzt wurde, führte vor allem dazu, dass die Türken in Deutschland entweder dem zurückgebliebenen islamistischen Lager oder dem faschistisch-rechtsextremistischen Lager zugeordnet wurden/werden. Die pauschale Verurteilung aufgrund von politischen, gesellschaftlichen aber auch ethnischen Differenzen hat die Fremdenfeindlichkeit in Deutschland gefördert und paradoxerweise die politische Linke ganz nah an das rechte Lager gerückt.

Schlussendlich ist ein Ende der zunehmenden Fremdenfeindlichkeit nicht in Aussicht. Während zumindest die politische Linke in der Vergangenheit einen Beitrag zur Bekämpfung des Rassismus leisten könnte, ist sie aufgrund mangelnder Empathie für die Muslime in Deutschland zu einem Mitläufer dieses Trends geworden. Auch die anderen politischen Lager haben es verfehlt, die Muslime als Ganzes zu umarmen und einen Platz für sie in Deutschland zu schaffen.

Dass auch nur sehr wenige konservative Muslime in einer konservativen Volkspartei in Deutschland aktiv sind, ist nicht etwa auf die mangelnde politische Partizipation der Muslime zurückzuführen, sondern vielmehr auf den dort herrschenden Druck, Stellung gegen einen konservativen Islam zu nehmen und „liberal-islamische“ Positionen einzunehmen.

Großteil der Muslime bleibt sich selbst überlassen

Bei knapp 80 Prozent der 4,5 Millionen, die sich laut der Studie des BMI zu den gläubigen Muslimen zählen, bleibt somit ein Großteil der Muslime in Deutschland unberücksichtigt und somit sich selbst überlassen. Der Teufelskreis schließt sich genau an dieser Stelle, da aufgrund der kontinuierlichen gegenseitigen Entfremdung ein Aufhalten des Trends immer schwieriger wird.

Mit der neuen Einwanderungswelle aus Krisengebieten wird sich dieses Bild weiter verschärfen. Zu den mehr als 280 Anschlägen auf Moscheen in Deutschland in den vergangen 13 Jahren, kommen nun auch zunehmende Anschlagsserien auf Flüchtlings- und Asylbewerberheime hinzu, die die schrecklichen Bilder von Lichtenhagen in Erinnerung rufen.

Die Hoffnung bleibt, dass die politische Linke und alle anderen politischen Lager ein Umdenken einleiten und gläubige Muslime als wichtiges Element in einer sozialen Gesellschaft entdecken. Denn in Zeiten zunehmender Fremdenfeindlichkeit, fehlt es an ausgleichenden Elementen, die dem negativen Trend Einhalt gebieten.

Mehmet Alparslan Çelebi
Blogger / Social Activist / Refugees Activist / Speaker for Topics on Muslim & Turkish Identity in EU